Long Covid steht für die Spätfolgen einer Corona-Infektion. Sie können das Leben stark einschränken. Der deutsche Fernsehsender SWR1 hat mit Expertin Dr. Jördis Frommhold über die Behandlungen und Erfahrungen damit gesprochen.
Dr. med. Jördis Frommhold ist Lungenfachäztin und Expertin für Long-Covid-Erkrankungen. Sie etablierte im Jahr 2022 das "Institut Long Covid" innerhalb der Rehaklinik Heiligendamm in Rostock.
SWR1: Werden Menschen mit Long Covid in Deutschland inzwischen ernst genommen und wird ihnen angemessen geholfen?
Jördis Frommhold: Leider ist es so, dass die Akzeptanz für dieses Krankheitsbild zwar steigt, ich aber immer noch Patientinnen und Patienten sehe, die mit Kopfschütteln und Schulterzucken begegnet werden. Dementsprechend ist es so, dass wir diese Patienten aus ganz Deutschland bei uns im Institut sehen. Via Telemedizin und Videosprechstunde, aber auch vor Ort. Auch wenn es besser wird: der Bedarf und die Luft nach oben ist auf jeden Fall da.
SWR1: Liegt das daran, dass Ärztinnen und Ärzte die Diagnose nicht stellen können?
Frommhold: Die Diagnose Long Covid ist eine Ausschlussdiagnostik. Das heißt, dass wir es häufig mit Symptomen zu tun haben, die auf den ersten Blick sehr diffus und unterschiedlich sind. Wir müssen dann erstmal andere Ursachen ausschließen und den zeitlichen Zusammenhang zu einer Covid-19-Infektion herstellen. Je mehr Patienten ich mit diesem Krankheitsbild gesehen habe, desto einfacher fällt mir natürlich auch die Diagnosestellung und die Therapie. Die Behandlung von Covid-Patienten ist im Moment erfahrungsbasiert. Dementsprechend fällt es leichter, je mehr Erfahrung ich mitbringe.
SWR1: Wie sieht eine erfolgreiche Behandlung aus?
Frommhold: Im Moment ist es so, dass wir noch nicht das eine Medikament oder die eine Pille gegen Long Covid haben. Aber wir machen zum Beispiel ambulante Therapiepläne, die aus vielen Modulen bestehen. Aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie aber auch medikamentöse-supportive Unterstützung.
Je früher das gelingt, desto geringer sind die Chronifizierungswahrscheinlichkeiten (die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit chronisch wird, Anm. d. Red.). Dementsprechend ist es ganz wichtig, einen Plan für die Betroffenen zu haben und sie nicht hilflos alleine zu lassen. Wenn wir das haben, gelingt eine Behandlung durchaus.
SWR1: Was raten Sie Patientinnen und Patienten? Ruhe und Geduld und einfach dran bleiben?
Frommhold: Ja, damit ist man erstmal gut bedient, aber es reicht leider nicht. Wenn man ca. ein bis drei Monate nach einer akuten Covid-Infektion neue Symptome merkt, die man nicht erklären kann - wie Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen oder Atembeschwerden - dann sollte man diese Beschwerden nicht bagatellisieren. Der erste Anlaufpunkt ist der Hausarzt und die jeweiligen Fachärzte. Wenn das nicht reicht, ist ein aufgeklärter Patient wichtig (Patienten, die über ihre Long Covid Erkrankung informiert sind und bei denen schnell die passende Behandlung erfolgen kann, Anm. d. Red.).
Es ist absolut entscheidend, frühestmöglich einen Plan für die Situation zu bekommen.
Dr. Frommhold
Dabei können wir unterstützen, und das ist im Sinne eines Modellprojekts erstmals so möglich.
SWR1: Spielt es eine Rolle, ob ich geimpft bin?
Frommhold: Es gab einige Studien, dass durch die Impfung der Akutverlauf vermindert wird, und, dass auch die Long-Covid-Verläufe zurückgehen. Aber es ist nicht so, dass wir bei geimpften nie Long-Covid-Symptome sehen. Es ist so, dass wir auch Infizierte haben, die vorher geimpft waren und trotzdem Long-Covid-Symptome entwickeln.
Wir müssen an der Stelle auch erwähnen, dass wir bei der Masse an Impfdosen, die wir verimpft haben, auch Patienten sehen, die Impfnebenwirkungen entwickeln. Die sind leider mit noch weniger Akzeptanz versogt als die Long-Covid-Patienten, was sehr traurig ist.
SWR1: Haben Sie eine Erklärung, warum das so ist?
Frommhold: Ich denke, weil da das Krankheitsbild noch diffuser ist. Weil es möglicherweise politisch schwierig ist und weil diese Patienten zu Unrecht in die Richtung Impfverweigerer und Verschwörungstheoretiker gestellt werden, was nicht stimmt. Da brauchen wir einfach ganz viel Sensibilität, dass wir auch diese Menschen betreuen und auch für diese Menschen Optionen aufzeigen.
SWR1: Nur, um das nochmal zu verstehen: Sind das dann ähnliche Symptome wie bei Long Covid?
Frommhold: Nicht immer. Aber manchmal schon. Es gibt durchaus Unterschiede in der Symptomausprägung. Aber in manchen Dingen ähneln sie sich schon. Zum Beispiel, wenn eine Fatigue eine große Rolle spielt. So können wir durchaus bei Betroffenen beider Krankheitsbilder als Patientenlotsen (Ansprechpartner, die den Patienten beratend zur Seite stehen, Untersuchungbefunde einordnen und Therapiemöglichkeiten erläutern, Anm. d. Red.) fungieren.
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